Mehr als nur ein Texturpatch? (Teil 5)


Mehr als nur ein Texturpatch? (Teil 5)

ThielHater | 15.03.2021

In diesem Teil geht es abwechslungsweise mal nicht um einen grafischen, sondern einen akustischen Aspekt der Gothic Reloaded Mod. Wenn ich mich recht erinnere, wurden wir damals in unserem öffentlichen Forum darauf angesprochen, dass es auf YouTube einige Neuinterpretationen des Gothic Soundtracks gäbe und ob wir davon nicht einen in unsere Mod aufnehmen wollten. Nach einer kurzen Hörprobe, unter anderem von Denis Kolesnikov und Artem Kucherov, war ich von der Idee überzeugt. Doch gab es ein Problem: Das war technisch nicht so einfach.

Der Soundtrack aller Spiele der Gothic-Serie wurde von Kai Rosenkranz komponiert, welcher vielen Fans ein Begriff sein dürfte. Dazu hat er damals wahrscheinlich den DirectMusic Producer verwendet, eine von Microsoft bereitgestellte Software um Musikstücke im DirectMusic-Format zu erzeugen.

Bevor man darin jedoch etwas komponieren kann, braucht man zunächst einmal Instrumente. Diese wiederum muss man erstmal ins Tonstudio verfrachten und alle Noten aufnehmen, welche man später braucht. Dieser Prozess wird als Sampling bezeichnet. Der Begriff des Instruments beschränkt sich jedoch nicht nur auf Violinen, Trompeten oder Klaviere, sondern umfasst auch Stimmen. Ein anschauliches Beispiel dafür ist der männliche Singsang, der im Sumpflager zu hören ist. Natürlich kann man diese virtuellen Instrumente, so genannte Soundbanks, alternativ auch einkaufen oder mit einem Synthesizer einspielen. Der Möglichkeiten sind viele.

Wenn man nun also sein Orchester beisammen hat, kann man im DirectMusic Producer festlegen, welche Instrumente wann welche Töne wie lange spielen sollen. Nach unzähligen Klicks des Komponisten hat man schließlich ein Stück aus zahlreichen kurzen Aufnahmen, welches im Spiel wiedergegeben werden kann.

Dieses Grundprinzip ist bis heute erhalten geblieben, jedoch ist man in der Gestaltung freier und braucht diese vorbereitenden Schritte nicht mehr so. Daher macht sich auch niemand die Mühe, ein Musikstück im DirectMusic Producer zusammen zu klicken sondern nutzt dafür Logic, Ableton, Cubase, Fruity Loops und wie sie alle heißen. Was machen wir also, um unser Musikstück in das DirectMusic-Format zu bringen?

Eine Lösung wäre, ein Instrument anzulegen, welches nur einen Ton kann, und diesen so lange zu spielen wie das Stück dauert. Als Sample würde man das als WAV exportiere Musikstück verwenden. Das Problem dabei ist jedoch, dass man dazu eine komplexe, antiquierte Software nutzen müsste, die unter Umständen nicht mehr rund läuft und deren Technik von Microsoft seit über einem Jahrzehnt als veraltet eingestuft wird.

Zum Glück verwendet Gothic nicht nur DirectMusic sondern auch das Miles Sound System, um bspw. Geräusche und Sprache wiederzugeben. Damit ist die Wiedergabe von beliebigen WAV-Dateien möglich, jedoch sind diese verhältnismäßig groß. Bei Gothic 1 machen sie in etwa drei Viertel der gesamten Daten aus! Heutzutage ist Speicherplatz zwar günstig, aber warum nicht MP3 verwenden? Das wäre mal eine Neuheit im Gothic Modding. Nach einer intensiver Recherche in der Änderungshistorie des Miles Sound System war klar, dass das MP3-Format damals bereits unterstützt wurde. Man hätte also einiges an Speicherplatz sparen können, vermutlich waren die damaligen Prozessoren jedoch mit der Dekodierung mehrerer MP3 Dateien in Echtzeit überfordert. Der Clou dabei ist jedenfalls, dass man den MP3-Audiostream in eine WAV-Datei einbetten musste. Das klingt zwar fragwürdig, ist mit dem passenden Werkzeug aber schnell erledigt:

ffmpeg.exe -i "Eingabe.mp3" -f wav -acodec copy "Ausgabe.wav"

Als Test eben einen WAV-Datei ersetzt, Gothic gestartet und zu meiner Verwunderung funktionierte es sogar auf Anhieb! Ich habe dies so dann zum Anlass genommen, um ein weiteres Union-Plugin zu schreiben, welches die Funktion zum Abspielen von Hintergrundmusik über DirectMusic abfängt und stattdessen das Miles Sound System nutzt, welches die WAV-Datei mit dem MP3-Stream abspielt. Darüber hinaus musste ich noch für möglichst fließende Übergänge zwischen den Musikstücken sorgen und den Code multithreading-fähig machen.

Dann war es allerdings so weit. Für ein möglichst immersives Erlebnis empfehlen wir, das folgende Video mit Kopfhörern und im Vollbild-Modus zu schauen. Jede Szene wurde als One-Shot aufgenommen und nicht bearbeitet. Das heißt, ihr seht und hört Gothic genau so, wie es mit der Gothic Reloaded Mod einst klingen könnte.

Update: Im Rahmen des 20. Jubiläums hat Don-Esteban von der World of Gothic einige Interviews geführt, unter anderem auch mit Kai Rosenkranz! Wer noch mehr über die Hintergründe des Gothic Soundtracks erfahren möchte, sollte dort unbedingt weiterlesen.